#27 Vertrieb direkt oder indirekt, was sind die Erfolgsdeterminanten beider Vertriebswege-Optionen?

Vertrieb hat die Aufgabe, den Transformationsprozess einer Angebotsleistung vom Hersteller zum Abnehmer umsatzwirksam mit höchstmöglicher Wertschöpfung im Markt dauerhaft zu realisieren. Der vertriebliche Transformationsprozess vom Anbieter zum Abnehmer kann direkt unter ausschließlicher Geschäftsverantwortung des Herstellers oder/und indirekt durch Einschaltung rechtlich und wirtschaftlich eigenständiger Absatzmittler erfolgen; die Digitalisierung als Vertriebs- und Kommunikationskanal ist Bestandteil beider Optionen:

 1. Direkter Vertriebsweg
Der direkte Vertriebsweg hat vor allem Relevanz im B2B Geschäft sowie beim Vertrieb hochpreisiger, langlebiger und komplexer Gebrauchsgüter.

– Vorteile
Der direkte Vertrieb unterliegt der uneingeschränkten Entscheidungsautarkie des Herstellers, der in Eigenverantwortung die Marktbearbeitung ausschließlich zu Gunsten der Wertschöpfung des eigenen Leistungsangebots betreibt. Die unmittelbare Interaktion mit dem Markt und seinen potenziellen Käufern erlaubt dem Hersteller eine direkte verkäuferische Einflussnahme auf den Einkaufsprozess der Abnehmer in selbstbestimmter Qualität und Ausprägung sowie unverzerrten Zugriff auf Informationen über das Kaufverhalten sowie die Bedürfnisse und Erwartungen der Interessenten mit der Möglichkeit einer zeitnahen kundenzentrierten Optimierung des Marketings.

– Nachteile
Die Nachteile des direkten Vertriebsweges aus Herstellersicht im Breitengeschäft sind vielschichtig: Nicht vertraute Kompetenzerfordernisse des dezentralen Handelsgeschäftes, die Notwendigkeit des Aufbaus und der Steuerung einer vertrieblichen Infrastruktur mit dezentralen Standorten, zeitaufwendige Marktentwicklung, fehlender Kundenstamm und Marktreputation, Konkurrenzsituation zum bestehenden Handel, Ablenkung des Management-Fokus vom zentralen herstellungsbezogenen Kerngeschäft sowie zusätzlicher Kosten- und Investitionsaufbau mit Remanenzcharakter bei ungewisser Umsatz- und Wertschöpfungsentwicklung.

2. Indirekter Vertriebsweg 
Der indirekte Vertriebsweg findet insbesondere im Konsum- und Gebrauchsgütergeschäft Anwendung.

– Vorteile
Der indirekte Vertriebsweg bedeutet für den Hersteller die Einbindung externer, geschäftlich eigenständiger Absatzmittler für die vertriebliche Marktbearbeitung. Hierdurch steht dem Hersteller spezialisierte Handelskompetenz mit lokaler Marktkenntnis, eingeführtem Bekanntheitsgrad, vorhandenem Kundenstamm und maßgeblicher Beeinflussungskraft auf das Kaufverhalten ubiquitär zum Vertrieb der Angebotsleistung zur Verfügung. Die Einschaltung von Absatzmittlern ermöglicht dem Hersteller eine umgehende, umfassende und zügige vertriebliche und logistische Durchdringung des relevanten Marktes ohne Aufbau, Unterhalt und Steuerung einer eigenen Verkaufsorganisation und die hierdurch anfallenden Fixkosten- und Investitionsbelastungen.

– Nachteile
Die potenziellen Nachteile der indirekten Vertriebsmethode aus der Herstellerperspektive ergeben sich insbesondere aus der wirtschaftlichen Eigenständigkeit des Absatzmittlers, der als Unternehmer ebenso wie der Hersteller nach dem Ökonomischen Prinzip der Wertschöpfungsmaximierung arbeitet. Für den Absatzmittler leiten sich hieraus zwei, sein wirtschaftliches Handeln bestimmende Erfolgsdeterminanten ab, die er unter Ausschöpfung seiner regionalen Marktmacht und eines potenziell weltweiten Lieferantenpotenzials umzusetzen versucht, wodurch er den natürlichen Interessen des Herstellers tendenziell entgegentritt: Optimierung der Einkaufskonditionen; Konzentration auf die erlösstärksten, bestverkäuflichen und schnelldrehenden Artikel.

Für den Hersteller führt die einflussreiche Position des Absatzmittlers in seinem Markt, seine unternehmerische Eigenständigkeit und die sich hieraus ergebende Interessensdivergenz zu Konfliktpotenzial in den folgenden Problemfeldern:

  • Die verkaufsbezogenen Marketingaktivitäten sind fremdgesteuert. Der Marketingfokus des Händlers stellt nicht das eigene Leistungsangebot als Solitär in die Zentralität, sondern das für den Absatzmittler wirtschaftlich gewinnbringendste;
  • Der direkte Zugriff auf den Abnehmermarkt entfällt: Meinungs- und Kaufbeeinflussung der potenziellen Kunden erfolgt durch den Absatzmittler nach dessen Prioritäten, das Verhältnis Hersteller/Endkunde ist anonymisiert, der Informationsfluss über den Abnehmermarkt findet nur indirekt über den Absatzmittler statt mit dem Risiko unvollständiger, verspäteter und verzerrter Informationen;
  • Es besteht kontinuierlich immanenter Verdrängungswettbewerb durch potenziell immer neue Konkurrenten, und damit permanenter Druck auf die Leistungsfähigkeit des Produktangebots und dessen Preispositionierung;
  • Die Integrations- und Steuerungsfähigkeit des Absatzmittlers im Sinne einer positionierungsgerechten, zielkompatiblen, loyalen und langfristigen Zusammenarbeit ist nicht garantiert.

Die Problematik des Hersteller-/Absatzmittlerverhältnisses löst sich in dem Maße für den Hersteller auf, in dem die Überlegenheit seines Angebotsprogramms im Markt nachhaltig unverzichtbar ist und hinsichtlich Einkaufskonditionen und Wertschöpfungsstärke für den Absatzmittler zu erhöhter Profitabilität führt.

Resümee
Kein Unternehmen ist wie ein anderes, insofern ist die Entscheidung über den optimalen Vertriebsweg jeweils situativ zu treffen. Hierbei ist eine entsprechende Orientierung an der Konkurrenz der Branche richtungsweisend. Die Transparenz über die Erfolgsdeterminanten des direkten und indirekten Vertriebswegs gemäß obiger Darlegungen unterstützt nicht nur die Entscheidung über den einzusetzenden Vertriebsweg, sie soll vor allem helfen, sich von Anfang an mit den spezifischen Leistungs- und Erfolgsbedingungen eines Vertriebswegs vertraut zu machen, um sich auf diese erfolgsführend einstellen zu können.

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